Warum wir?
Macht Mensch Sinn?
Sie ist nie ganz verschwunden, diese Frage. Nicht immer laut, aber stets präsent. Warum bin ich? Was macht mein Leben aus?
Vielleicht beginnt Sinn dort, wo wir innehalten und uns selbst wahrnehmen. Wo wir nicht nur fühlen, sondern wissen, dass wir fühlen. Wo uns unsere Endlichkeit bewusst wird – nicht als Makel, sondern als Hinweis auf das, was das Menschsein im Innersten ausmacht: die Fähigkeit, Bedeutung zu suchen. Und manchmal auch zu finden. Heute jedoch stellt sich diese Frage nicht mehr nur dem Einzelnen im Stillen. Sie drängt sich uns als Menschheit mit globaler Wucht auf, denn unsere Suche hat uns zu einer Kraft gemacht, die den Planeten selbst verändert. Unsere innere Endlichkeit spiegelt sich nun in den äußeren Grenzen unseres Lebensraums.
Fühlen, Denken, Glauben – all das sind Zugänge zum Geheimnis unseres Daseins. Um sie miteinander ins Gespräch zu bringen, braucht es Offenheit und Neugier. Nicht auf schnelle Antworten, sondern auf die Tiefe, die sich zeigt, wenn man genauer hinsieht.
Deshalb beginnt die Annäherung an das Menschliche mit dem Blick nach innen – auf unser faszinierendes neuronales System, das Empfindungen, Gedanken und Bewusstsein erst möglich macht. Die Neurowissenschaften helfen uns zu verstehen, wie Gefühle entstehen, verarbeitet und mit Erinnerungen verknüpft werden. Doch selbst in all ihrer Komplexität bleibt da etwas, das sich nicht ganz auf Moleküle und Synapsen reduzieren lässt.
Denn wir sind nicht nur biologische Wesen. Wir sind auch denkende und fragende Wesen. Die Philosophie setzt dort an, wo das Erklären an Grenzen stößt – und fragt nach dem Sinn, der Bedeutung, dem Wesen des Menschlichen. Sie lehrt uns, dass unsere Emotionen nicht bloß Reaktionen sind, sondern Ausdruck unseres Weltbezugs. Dass es in unserem Fühlen Hinweise gibt auf das, was wir wertvoll, gut, richtig – oder verloren – empfinden. Sie wirft auch die Frage nach der Kehrseite unserer Gaben auf: Wann wird aus unserem brillanten Verstand Übermut – und wann aus der Kraft unserer Antriebe eine Maßlosigkeit, die sich gegen uns selbst wendet?
Schließlich öffnet sich ein weiterer Raum: jener des Glaubens. Die Theologie spricht vom Menschen als Ebenbild, als Suchenden, als Verwundeten und Geliebten. In den Emotionen spiegeln sich nicht nur innerpsychische Prozesse, sondern vielleicht auch ein größeres Gegenüber – eine Wirklichkeit, die uns übersteigt und doch in uns nachklingt.
So entsteht kein abschließendes Bild, sondern ein Mosaik aus Perspektiven. Vielleicht liegt der Sinn nicht darin, ihn endgültig zu finden – sondern darin, dass wir ihn überhaupt suchen können. Eine leise Ahnung bleibt, wie eine Resonanz: im Fühlen, im Denken, im bloßen Wissen darum, dass wir sind.
Wenn die folgenden Seiten dazu beitragen, diesen Gedanken weiterzudenken, neue Perspektiven zu eröffnen und die eigene Existenz bewusster wahrzunehmen, dann ist bereits etwas gewonnen. Vielleicht kein Ziel, aber ein Weg – mit offenem Ausgang und einem wachen Geist.
Denn vielleicht – und das ahnen wir nach all den Überlegungen – macht der Mensch Sinn, indem er die Frage lebt. Indem er immer wieder neu ringt, scheitert, hofft und erkennt.
Das Lachen der Verzweiflung – Eine absurde Einstimmung auf das Menschsein
Man stelle sich vor, das Leben sei ein Theaterstück – doch niemand hat das Drehbuch gelesen. Die Bühne ist schief, die Requisiten wackeln, der Souffleur ist betrunken, und das Publikum – nun ja, das besteht aus denselben Akteuren, die verwirrt nach dem Sinn des Ganzen suchen. Genau hier setzt der britische Wahnsinn namens Monty Python an: In ihrem Film "Der Sinn des Lebens" zerlegen sie den Menschen wie einen schlecht zusammengebauten IKEA-Schrank – mit einem Inbusschlüssel namens Absurdität.
Und doch, zwischen explodierenden Dinnergästen und tanzenden Organräubern, blitzt eine Wahrheit auf, die selbst Kierkegaard, Camus oder Sloterdijk nicht treffender fassen könnten: Der Mensch, dieses paradoxe Wesen, sehnt sich nach dem Erhabenen, doch erntet nur das Triviale: Bürokratie, Banalität und Bespaßung.
Die Ausgangsfrage, die dieses Buch stellt – "Macht Mensch Sinn?" –, ließe sich also durchaus auch mit einem Lachen beantworten. Nicht, weil alles witzig ist. Sondern weil das Lachen manchmal die einzig angemessene Reaktion auf eine Welt ist, die sich standhaft weigert, eine Gebrauchsanweisung mitzuliefern. Kierkegaard hätte daran wohl seine stille Freude gehabt.
Denn für ihn ist Verzweiflung kein Betriebsunfall, sondern die Grundmelodie der Existenz. Der Mensch erkennt, dass er frei ist – und genau das macht ihn irre. Er kann sein Leben gestalten, aber eben auch verfehlen. Albert Camus geht noch weiter: Das Absurde ist für ihn nicht nur ein Zustand, sondern ein Konflikt zwischen der sinnlosen Welt und dem Sinnhunger des Menschen. Der Held ist, wer nicht aufhört zu suchen, obwohl er weiß, dass er nichts finden wird. Der Sisyphos, der den Stein immer wieder den Berg hinaufrollt – und dabei vielleicht pfeift. Oder grinst. Und dann wäre da noch Sloterdijk, der uns erinnert: Der Mensch lebt in symbolischen Immunsystemen. Er umgibt sich mit Sinnkonstruktionen – Religion, Fortschritt, Familie, Wellnessprogrammen – nicht, weil sie wahr sind, sondern weil sie ihn schützen vor der nackten Erkenntnis: Es gibt keinen zentralen Kundendienst für kosmische Bedeutung.
Was aber bleibt, wenn man all das einmal ernsthaft nicht ernst nimmt? Vielleicht genau das, was Monty Python mit ihrer radikalen Ironie zeigen: Die Würde des Menschen besteht nicht darin, dass er den Sinn kennt – sondern dass er nicht aufhört, ihn zu suchen. Selbst wenn er dabei auf Bananenschalen ausrutscht. Oder mitten in einer Kriegsszene höflich den Tod begrüßt.
Dieses Buch beginnt daher nicht mit einer Definition des Sinns. Sondern mit einem Lächeln – manchmal auch einem schiefen. Denn bevor wir die neuronalen Netze entwirren, philosophische Begriffe kalibrieren und theologische Horizonte aufspannen, lohnt sich ein Blick auf den Abgrund unter unseren Füßen. Und auf das erstaunlich stabile Geländer namens Humor, das uns daran hindert, kopfüber hineinzufallen.
Vielleicht ist es genau dieses Andere, das uns trägt.
Vielleicht ist Sinn weniger Ziel als Zumutung.
Und vielleicht liegt genau darin unsere Größe:
dass wir darüber
lachen können – und trotzdem weiterlesen.
Bevor wir nun tiefer in das komplexe Labyrinth der Neurowissenschaft eintauchen, gönnen wir uns einen kurzen Moment der Vorwarnung: Dieses Kapitel enthält keine Gebrauchsanweisung für das Leben – aber immerhin eine ziemlich präzise Beschreibung der Kabel. Es geht um Synapsen, um Hirnareale, um Dinge, die feuern, hemmen, verknüpfen – und dabei irgendwie auch Gefühle, Gedanken und das große Ganze ermöglichen.
Wenn Sie also beim Lesen das Gefühl haben, Ihr präfrontaler Kortex seufzt leise – bleiben Sie dran. Denn vielleicht ist das Gehirn nicht der Ort, an dem der Sinn beginnt. Aber es ist zweifellos der Ort, an dem die Suche danach in Gang gesetzt wird. Willkommen im Maschinenraum des Menschseins.
Bereit, die Suche zu beginnen?
www.machtmenschsinn.de
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